Wie unsere ungewohnte Unterkunft in Trampa aussieht, könnt ihr im Blog Post Darién Teil II nachlesen.

Erster Tag in Trampa.
Nach dem Gespräch mit dem Noko machen wir eine Runde durchs Dorf und fragen wo wir Früchte kaufen können. Drei kleine Tiendas entdecken wir. Hier gibt es Süssgetränke, kleine Schleckereien, WC-Papier – einzeln verpackt, Reis, Bleach und sonst nicht viel mehr. Früchte hat jeder selbst, das wird nicht verkauft.
Doch bei einer Familie sehen wir Palmen mit Trinknüssen und fragen, ob wir ein paar kaufen können. Der Vater steigt mit der Machete in windseile auf die Palme und holt uns sechs Stück runter. Sein Sohn hilft uns dann diese zu unserer «Unterkunft» zu tragen.

Wir kriegen noch Guamas geschenkt, eine ca.50 cm lange Bohne, welche im Innern grosse Samen haben, und mit leckerem Fruchtfleisch ummantelt sind. Die Kinder und wir lieben diese gesunden Bonbons. Zudem gibt’s noch tropische Äpfel, die Perita, welche sie direkt vom hohen Baum für uns herunterholen.
Zurück vom Dorfrundgang hat Hersilia für uns und ihre Familie eine Hühnersuppe mit Wurzelgemüse, Sancocho genannt, zum Mittagessen gekocht, dazu gibt es Reis. Sie begrüsst uns in ihrem Haus und wir setzten uns, wie hier üblich auf den Boden, zum gemeinsamen Mal.

Hersilia ist etwas scheu. Sie spricht nicht sehr gut Spanisch. Doch nach kurzer Zeit taut sie auf und wir sprechen und lachen viel zusammen.
Sie erklärt uns, dass Embera Frauen normalerweise kein T-Shirt tragen, das sie das nur wegen uns anhätte. Ich erkläre ihr, dass es für uns kein Problem ist, wenn sie mit uns zusammen auch ohne T-Shirt sei. Sie solle sich so verhalten, wie es ihr am wohlsten ist. Schon am nächsten Tag trägt sie kein T-Shirt mehr. Ein Zeichen für uns, dass sie sich in unserer Gegenwart wohl fühlt und wir keine Eindringlinge mehr sind.
Am Abend schauen wir den Kindern beim «Schlitteln» zu. Aufgesägte Kanister sind ihre Schlitten und anstelle von Schneehügeln, rutschen sie mit Freude und Gelächter den Lehm zum Fluss hinunter. Die Kinder haben fast keine Spielsachen, vergnügen sich aber mit ideenreichen Spielen aus und mit der Natur.

Am nächsten Morgen kommt Rosa, die Mutter von Hersilia, bei uns vorbei und möchte uns ihren Garten zeigen. Wir ziehen unsere Stiefel an und freuen uns auf einen Fussmarsch durch die schöne Natur.

Voller Stolz zeigt sie uns all ihre Pflanzen und erklärt uns viel dazu. Ihr Schwein hat einem eigenen Verschlag in ihrem Garten. So hat jede Familie ihren Pflanzgarten ausserhalb des Dorfes, manchmal nur mit langem Fussmarschen zu erreichen.
Kaum sind wir wieder zurück, fragt uns Hersilia, ob wir gerne Camarones essen? Natürlich ist unsere rasche Antwort. Sie erwidert: «Also kommt! Wir gehen zum Fluss Camarones fangen.»

Bewaffnet mit Taucherbrille und einem Metallspiess, taucht Hersilia unermüdlich nach den Camarones. Dabei versucht sie die Lehmplatten am Grund anzuheben und die Camarones aufzuspiessen oder per Hand hervorzuziehen. Nicht ganz einfach, denn diese Urtiere haben Krallen um sich in der Strömung festzukrallen.

Am Abend frittiert sie diese speziellen Garnelen und dazu gibt es wie fast immer Plantanos (Kochbanane). So lecker, wir geniessen das gemeinsame Festessen mit ihrer erwachsenen Tochter Henni, dem Enkel Chichi und ihrer fünfjährigen Tochter Marsilia. Immer wenn wir mit Hersilia zusammen sind gibt es viel zu lachen.
Schon am Morgen hören wir ein regelmässiges Tumm, tumm, tumm …
Neugierig gehen wir dem Klang, welcher uns die nächsten Tage begleitet, nach. Einer der Männer arbeitet an seiner neuen «Piragua» (Einbaum.) Diese ist sicher 10 – 12 m lang und wird einmal für eine grosse Familie Platz haben.

Im Dorf haben wir keinen Handyempfang, wie auch schon gesagt, es gibt auch keinen Strom. In den Tiendas wird der Kühlschrank mit Gas betrieben. Einige haben einen Gasherd, doch das meiste wird auf dem Feuer gekocht. Dazu haben sie eine bestimmte Technik. Vier dicke Stämme werden wie ein Kreuz in, die mit Sand gefüllte Kochstelle, gelegt. Nur die Enden glimmen vor sich hin und lassen so die Möglichkeit eine Pfanne darauf zu stellen oder auf dem Rost etwas zu räuchern. Wird die Hitze nicht mehr gebraucht, so schütten sie ganz wenig Wasser zum Löschen über die Enden der Baumstämme. Zum Frühstück essen die Embera meist geräuchten Fisch und Platanos. Das räuchern ist die beste Möglichkeit um etwas haltbar zu machen.

In den nächsten Tagen kommen wir noch in den Genuss von Puerco del Monte (eine Art Wildschwein) und Pavo del Monte (wilder Truthahn) zu kosten. Hersilia gibt sich wirklich alle erdenkliche Mühe uns die Embera Küche vorzustellen.
An einem Abend bringen Hanspeter und ich eine weisse Schokolade zum Dessert mit. Genüsslich testet die Familie die Neuheit und alle sind überzeugt, dass diese sehr lecker schmeckt.
Hersilia und ihre Tochter Henni, wir alle in den traditionellen Paruma gekleidet

Hersilia und ihre Mutter Rosa (siehe Foto weiter oben) wissen ihren Geburtstag und ihr Alter nicht. Da gab es noch keinen Kalender und viele Familien haben in einzelnen Häusern dem Fluss entlang gewohnt. Es gab noch keine Dörfer, die Embera waren Halbnomaden. Der Staat versprach ihnen vor etwa 40 Jahren, dass wenn eine Siedlung so gross ist, dass sie 50 Schulinder haben, werden sie eine Schule und das Casa de Salud (Gesundheitsstation) errichten.
Eigentlich wollte ich ja übers Telefonieren erzählen, bin aber dann beim Kochen angelangt. Ja man glaubt es kaum, aber hier in Trampa hat es eine Telefonzelle, welche mit einer Solarzelle und einer Richtstrahlantenne betrieben wird.

Läutet es, so springt der nächste Bewohner ans Telefon und ruft dann so laut er kann durchs Dorf: «Hersilia telefono!» Das funktioniert gut. Am Abend sitzen dann oft die Leute in der Nähe beisammen und warten, ob ein Anruf für sie kommt.
An einem Tag kommt Hersilia zu uns und fragt, ob wir Caracoles mögen. Natürlich, wir essen alles. So fahren wir erneut gemeinsam mit dem Einbaum den Fluss runter, wo sie an einer bestimmten Stelle die kleinen Flussschnecken sammeln. Wie gerne hätten wir unsere Taucherbrillen dabei um tatkräftig mitzuhelfen.
Hersilia versteht es wirklich lang unter Wasser zu bleiben. Auch ihre Tochter Henni und deren Cousine Laura sammeln für ihre Familien. Hanspeter steuert in der Zwischenzeit die Piroge.

Aus den Schnecken gibt es dann eine leckere Suppe. Mit einem Stachel von einer speziellen Palme ziehen wir die kleinen, gekochten Schnecken aus dem Haus. Ihr glaubt es vielleicht nicht, aber es hat wirklich köstlich geschmeckt. Was für dieses Gericht nötig ist, das ist Zeit. Zeit zum Sammeln und Zeit zum Essen! Aber das hatten wir ja ?

In der Nacht sehen wir von unserem Hängemattenbett ganz viele Glühwürmchen. Ich liebe diese magischen Käfer!
Am Morgen ganz früh erwachen wir dieses Mal nicht vom krähenden Hahn oder den bellenden Hunden. Ein Tropenregen platzt auf unser Wellblechdach. Was für ein Lärm! Wir verstehen unsere eigenen Worte nicht mehr.

Bald hört es auf zu regnen und wir kriegen Besuch einer Libelle.

Wir besuchen die Schule. Raquela, die Lehrerin ist eine Embera, aufgewachsen in einer traditionellen Familie, ihr Vater war Cacique. Noch bei keinem Schulbesuch hier in den tropischen Ländern, habe ich ein so gutes Gefühl gehabt. Sie ist wirklich mit Leib und Seele Lehrerin. Einfach hat sie es gar nicht. Ihre 21 Kindern sind in die Klassen von 1 – 6 eingeteilt. Sie hat die Aufgabe ihnen die Emberas Schriftsprache zu lernen. Zudem das Spanische mündlich und schriftlich und eigentlich wäre Englisch im Lehrplan mit einbezogen. Leider kann sie selbst nur ein paar Wort Englisch, was das Unterrichten in dieser Sprache fast unmöglich macht. Wie man aber auch an den Plakaten im Zimmer sieht, sind ihr die inneren Werte wichtig, auch die Kinder selbst, ect..

 

 

 
 

 

Sogleich planen wir ein gemeinsames Projekt. Ich möchte ihr bei dem Englisch Lehrmittel eine einfache Unterstützung bieten und ihr und den Kindern zwei oder drei englische Lieder lernen.
Am Nachmittag sucht der Noko uns auf und teilt uns mit, dass Ärzte vom Cuerpo de Paz kommen und er die Casa de Salud für deren Unterkunft braucht.
Für uns heisst das umziehen. Wir dürfen ins Haus von Raquela, der Lehrerin, einziehen. Übers Wochenende geht Raquela zu ihrer Familie nach Puerto Indio. Ihr Mann ist dort Schulleiter und ihr 8-jähriger Sohn lebt auch da. Die 2-jährige Tochter Ebapono nimmt sie immer mit nach Trampa.
Ganz ungewohnt wieder in einem geschlossenem Raum zu schlafen.

Am Abend sitzen wir lange zusammen und Raquel erzählt uns viel über ihre Kultur und Traditionen. Sie spricht sehr gut Spanisch, da ist die Kommunikation einfacher als mit den anderen Frauen hier im Dorf. Raquel geniesst es von uns «beschützt» zu sein. So kann sie alle Fenster und Türen offenlassen, im Gegensatz, wenn sie mit ihrer Tochter alleine im Haus ist, verriegelt sie alles.
Leider bleibt uns nur einen gemeinsamen Abend mit Raquel. Am nächsten Tag wird sie unverhofft zurückbeordert, um an einer Sitzung der Lehrer teilzunehmen. Überstürzt nehmen wir Abschied von ihr, dürfen aber weiterhin ihr Haus benutzen.
Wir besuchen Liberticia und möchten gerne ihre Canasta Arbeiten bewundern. Wir kaufen ihr einen hübsch, gearbeiteten Teller ab und sie ist mega glücklich. Darauf geht sie in ihr Schlafzimmer und kommt mit einem Paruma (Wickelrock) für mich zurück. Kurzerhand holen die beiden Frauen noch die Ohrringe, die Armreifen, den Haar-und Brustschmuck hervor und kleiden mich ein. Natürlich möchten sie mich noch mit einem traditionellen «Jagua – Tatotoo» bemalen. Ich lehne dankend ab. Gerne hätte ich an einem Fest die Frauen mit ihren bemalten Körpern bewundert. Aber zu meiner weissen Haut passt das nicht. Liberticia sucht auf ihrem Handy ein traditionelles Musikstück und ihre Schwester lernt mich die verschiedenen Tanzschritte dazu. Da gibt es viel zu lachen. Auch die Nachbarn schauen uns zu, winken und haben ihre Freude dabei.

Auf dem Rückweg drücken uns die Nachbarn eine Ananas als Geschenk in die Hände. Wir dürfen noch ihre Chicha (gärendes Getränk vergleichbar mit Suser) aus Platanos mit Kokosmilch testen. Schmeckt nicht schlecht.
Am Abend kommt Liberticia mit ihrer Schwester und Kindern zu uns auf die Terrasse, um Schweizer Fotos von den Bergen anzuschauen. Viele Fragen entstehen über unser Land und Kultur. Sie geniessen unsere, von zu Hause mitgebrachte, Marzipan – Schokoladen Rolle.
Ausflug nach Tigre
Wir wollen zu Fuss zum nächsten Dorf nach Tigre marschieren. Seit etwa zwei Tagen ist eine Pistenstrasse fertig.

Tausendfüssler der auf Spanisch nur Hundertfüsser heisst.

Fleissige Blattschneider Ameisen

Meine Traumblume! Durchmesser etwa 25 cm, die Knospe wächst direkt am Stamm. Wer kennt sie?

Wunderschöne Blüten

Schmetterling

Auch in Tigre werden wir herzlich begrüsst und können erst noch zwei kleine Papaya kaufen.

Am Abend kommt der Sohn, der Familie, welche uns schon die Ananas geschenkt hat vorbei und bringt uns zwei geräuchte Fische für das Frühstück. Zum Glück haben wir noch eine kleine Schachtel Buntstifte dabei. Sein kleiner Sohn freut sich riesig darüber.
Am nächsten Morgen bemerken wir, dass das ganze Dorf kein Wasser mehr hat. Irgendwo oberhalb ist die Leitung gebrochen. Jetzt wird es etwas schwierig, denn wir haben immer dieses Quellwasser durch unseren Filter gelassen und so getrunken. Auf das Wasser vom Fluss haben wir nicht so Lust. Also machen wir uns auf den Weg um erneut 10 Trink – Kokosnüsse zu kaufen.
Wir wollen noch bis Sonntag bleiben, da ein fertiggestellter Einbaum vom Landinnern zum Fluss gerollt werden muss. Das ganze Dorf hilft mit und anschliessend gibt es ein Fest mit Musik, Essen und Chica trinken. Leider hören wir, dass das Fest verschoben wird, da der Einbaumbesitzter erst nach Puerto Indio reisen muss um Lebensmittel für das Festessen einzukaufen.
Wir haben dann noch das Glück, das der Flötenspieler uns ein kleines Privatkonzert gibt.

Deshalb entschliessen wir kurzerhand schon am Samstag abzureisen. So haben wir noch die Gelegenheit Raquel in Puerto Indio anzutreffen.
Am Abend machen wir noch eine Runde durchs Dorf, um uns bei den verschiedenen Familien zu verabschieden und ihnen noch kleine Geschenke mitzubringen.
Der Noko erklärt uns wir sollen einfach am Morgen ganz früh am Fluss bereit sein um eine Piroge aufzuhalten.
Bei Morgendämmerung um sechs stehen wir auf, packen unsere Rücksäcke, trinken einen Kaffee und verlegen uns an den Fluss, wo wir auf eine Mitfahrgelegenheit warten.

Wir warten schon einige Stunden und kein Boot lässt sich blicken.
Die Kinder sind immer um uns herum und so geht die Zeit schnell vorbei.

Ich lerne den Kindern noch das Bewegungslied «Das isch de Chindsgi Boogie», natürlich auf Englisch. In Puerto Indio werde ich dieses Lied dann noch Raquela beibringen. Eine Videoaufnahme hilft da auch noch.

Wir haben auch noch Zeit ein Hüpfspiel zu lernen.

Um 11.00 Uhr kommt dann ein Pickup und der Fahrer erklärt sich bereit uns für die Rückfahrt mitzunehmen.
Bis zur Abfahrt dürfen wir uns noch etwas in den Schatten in Hildas Haus setzten. Von dort haben wir einen super Ausblick über den Fluss.
Sie zeigt uns noch wie man die Traditionellen «Fan» flechtet und wir kaufen ihr und ihrer Schwester gleich alle ab. Sie brauchen diesen Fächer zum anfachen des Feuers.

Erst um 15.00 Uhr sammelt der Pickup Fahrer seine Passagiere ein und wir verabschieden uns schweren Herzens von all den lieben Leuten und dem wunderbaren Ort.
Die 10 Tage in Trampa sind im Fluge vergangen. Wir sind glücklich, dass wir so viel von der Kultur der Emberas lernen durften. Es ist unglaublich wie offen und gastfreundlich das ganze Dorf uns gegenüber war. Wir hätten noch viel zu erzählen.
Mit einem prall gefüllten Rucksack voll Erlebnissen machen wir uns auf die Rückreise und hoffen, vielleicht wieder einmal zurück zu kommen.
Die Fahrt verlief wegen Regenschauer sehr abenteuerlich. Der Pickup blieb hoffnungslos im Schlick stecken. Erfahren könnt ihr das im kommenden Bericht von Darién IV.